Ciao amici,
wie Ihr eventuell mitbekommen habt diese Woche gab es in der Social Media-Welt Kritik zum Literaturnobelpreis an Peter Handke. Dieser reagierte sehr ruppig, was ein gewisses Bild von ihm komplettierte (hier nachzulesen). Das bringt mich dazu über alte Stereotypen nachzudenken, besonders das des „exzentrischen Künstlers“.
Exzentrik bedeutet ein Abweichen von einer sozialen Norm und diese Definition ist natürlich so schwammig, dass man damit auch das Tragen eines riesigen glitzernden Hutes im Alltag ausserhalb von Karnevalszeiten meinen kann oder das Gassigehen mit einem Ameisenbär in Paris. Das wird gerechtfertigt damit, dass Künstler*innen oft die Aufgabe innerhalb der Gesellschaft tragen soziale Normen zu hinterfragen. An und für sich eine wichtige und nötige Aufgabe, aber man kann sich schon bei der Selbstinszenierung (die auch immer eine Rolle spielt) mit dem Ameisenbären fragen, ob der das wirklich so toll fand bei diesem Aufbrechen von sozialen Normen dabei zu sein oder ob er lieber seine eigene soziale Norm genossen hätte, um ihm Wald nach Ameisen zu schnubbeln.
Und hier fängt das Problem an: Unter Künstler*innen befindet sich ein Anteil an Menschen, die soziopathische Persönlichkeitsteile in sich tragen. Unter dem Deckmantel der Exzentrik lässt sich dann wunderbar auch missbräuchliches Verhalten verstecken, und zwar nicht nur gegen Ameisenbären, sondern anderen Menschen. Wenn der/die Künstler*in erstmal einen hohen Status erreicht hat, wird er/sie immer unantastbarer und das missbräuchliche Verhalten weniger bis gar nicht geahndet. Wie bei vielen anderen Persönlichkeiten, die sich eine gewisse Machtposition in der Gesellschaft geschaffen haben. Die eigene Arschlochigkeit (verzeiht, ich bin halt keine Literaturnobelpreisträgerin) wird legitimisiert und letztendlich auch ein Stück weit die Positionen, die man damit vertritt.
Und da muss es Grenzen geben und genauer differenziert werden. Das Relativieren von Kriegsverbrechen durch Milošević ist nicht auf einer Stufe zu sehen wie das Tragen eines grossen glitzernden Hutes. Es ist möglich, dass es keine allgemeingültige Grenze dafür gibt, sondern dass man diese für jede*n Künstler*in neu ausloten muss. Sicher nicht immer eine leichte Aufgabe, aber… Das Leben ist kein Ponyhof (sorry, der musste sein!). Im Ernst: Auch, wenn es anstrengend ist, sollten wir es wenigstens versuchen, denn es ist für uns alle von Vorteil, wenn wir nicht in einer Gesellschaft leben, in der nur das Recht des Stärkeren herrscht.
In dem Sinne, wünsche ich Euch noch eine entspannte Woche!
Und hier noch schnell ein Veranstaltungstipp:
Am Samstag, 02. November 2019, 22:30 Uhr gibt es im Rahmen der Museumsnacht Köln ein Werkstattgespräch mit mir, Tillmann Courth, Darjush Davar um 22:30 im Cöln Comic Haus. Hier findet Ihr einen Überblick über die weiteren Veranstaltungen an diesem Tag.